<<zurück

Krise in Pforzheim:
In der Goldstadt gibt es keinen Glanz mehr

 
Das waren noch Zeiten in Pforzheim. Im Brötzinger Tal spielte der "Club" und ein paar Kilometer weiter waren die "Rassler" beheimatet. Lokalderbies, spannende Spiele, gute Zuschauerzahlen. Germania Brötzingen war auch nicht zu verachten und selbst ein paar Kilometer außerhalb der Stadtgrenzen
machte der FC 08 Birkenfeld mit BFV-Ehrenspielführer Horst Kunzmann oder den Spankowski-Brüdern auf sich aufmerksam. Heute ist's ein Bild, das vom tristen Alltag geprägt wird. Der VfR Pforzheim hat die schlimmste Zeit überstanden und ist froh, dass er in der Bezirksliga überleben konnte.
Die Ära nach Peter Häberle, der eine Gefängnisstrafe abgesessen hat, war von Wiederaufbau geprägt.
Inzwischen hat der 1. FC Pforzheim einen Berg voller Sorgen, der bald die Größe des Monte Scherbelino erreicht, der in Pforzheim nach dem Krieg aus dem Schutt der Stadt gebildet wurde. Aus den sogenannten "Liquiditätsproblemen" des Oberligisten ist in den vergangenen Monaten ein
Überlebenskampf geworden. Es ist auch noch gar nicht so lange her, da
reiste man im Winter noch ins Trainingslager auf Malta, obwohl man in der Oberliga zu diesem Zeitpunkt keine echte Meisterchance mehr hatte und eher im Mittelfeld dümpelte. Heute belegt die Mannschaft einen sehr guten dritten Platz in der Oberliga Baden- Württemberg - aber man hätte Mühe, ein Trainingslager in einer Jugendherberge im Nordschwarzwald zu finanzieren.
Die Schulden nähern sich der Millionen-Grenze (in Euro wohlgemerkt), und alleine die kurzfristigen Verbindlichkeiten sollen bei 150.000 Euro liegen. Besserung ist kaum in Sicht.
Allerdings stünde der Sinn eines Trainingslagers als Vorbereitung auf die Rückrunde ohnehin in den Sternen. Bis 28. Februar müssen die Unterlagen für eine Regionalliga-Lizenz abgegeben werden für den Fall des Aufstiegs. Momentan sieht es so aus,als ob man das Porto für diesen Brief an den
Deutschen Fußball-Bund sparen könnte.
 
Schuldenberg ist stetig gewachsen
 
In der Goldstadt glänzt im Fußballbereich trotz des dritten Platzes in der Oberliga gar nichts mehr. Selbst die Eingeweihten wissen nicht mehr so genau, wann denn die Misere angefangen hat. 1990 hat Ernst Schmidt das Präsidentenamt angenommen und im Nachhinein sagt er:
"Ein vernünftiger Mensch wäre schon vor zehn Jahren aufs Amtsgericht gegangen." Denn schon damals hatte der Verein Schulden in Höhe von 600.000 Mark. Ernst Schmidt hat in seiner Präsidentenzeit immer wieder Löcher gestopft. Ein erster Tiefpunkt war bereits im Jahre 1992 erreicht,
als der Präsident auf der Anklagebank saß, weil die Steuerfahndung dem Verein Verfehlungen nachgewiesen hatte.

 
Ernst Schmidt: Retter oder Totengräber?
 
Ernst Schmidt - selbst die immer gut informierte "Pforzheimer Zeitung" kann sich nicht entscheiden, ob er nun Retter oder Totengräber
ist. Fest steht: Der ehemalige Zeitungs- Grossist, ein erfolgreicher Geschäftsmann, sprang immer wieder in die Bresche, wenn
es finanziell klemmte. Aber auf der anderen Seite gab es auch kein Konzept, keine Linie, keine Eigen-Initiative. Ernst Schmidt war alles
- ohne ihn war der FCP nichts. Bobby Jovanovic, Manfred Krafft, Thomas
Remark, Reiner Ackermann - die Trainer hatten in Pforzheim kein langes Haltbarkeitsdatum. Mit ihnen kamen immer wieder
neue Vorstellungen und neue Spieler. Kontinuität war so nicht gewährt. Und der Schuldenberg konnte so schon gar nicht abgebaut
werden. Im Gegenteil. Er wuchs im Verborgenen wie ein Geschwür im Verein und hat jetzt ein lebensbedrohliches Ausmaß angenommen.
Alleine die Saison 2000/2001 brachte ein Minus von 170.000 Mark.
Ernst Schmidt hat bei einer denkwürdigen Mitgliederversammlung im Januar zwar keine Bilanz vorgelegt, aber nach der Entlastung seinen Posten abgegeben. Auch sein 2. Vizepräsident Dieter Widmaier und Schatzmeister Reinhardt Schopf traten von ihren Ämtern zurück. Wolfgang König, der bisherige 1. Vizepräsident, ist das einzig verbliebene Präsidiumsmitglied,
der sich an die Sanierung des Vereins macht. Gemeinsam mit dem AH-Abteilungsleiter Fritz-Eckhart Kempf berief er ein Treffen ein, zu dem
rund 30 FCP-Getreue kamen. Ein Krisen-Kabinett wurde gebildet, dem die
früheren Präsidiumsmitglieder Dieter Widmaier, Reinhardt Schopf und Fred
Theurer sowie Jürgen Elsässer als Spielleiter der zweiten Mannschaft angehören.

Benefizturnier des Dart-Clubs
 
Die ersten Hilfsmaßnahmen wurden eingeleitet, aber ob das Benefizturnier des Dart- Clubs "Warrior" die Wende bringt, ist fraglich. "Es geht um jeden Euro", versichert Fritz-Eckart Kempf, in Pforzheim jetzt der neue Hoffnungsträger. Aber man braucht auch den großen Befreiungsschlag. Und da hofft man wieder auf Ernst Schmidt. Er hat Bürgschaften in Höhe von geschätzten 400.000 Euro. Erste Gespräche über das Einlösen dieser Bürgschaften sollen bereits
stattgefunden haben. Fast hätte man's vergessen: Fußball wird auch noch gespielt in Pforzheim. Bei vier Punkten Rückstand wäre die Meisterschaft in der Oberliga Baden- Württemberg keine Utopie. Allerdings bleibt die Frage nach den Unruhen und der Motivation. Im Januar hatten die Spieler die ihnen
zustehenden Prämien für die bisherigen 31 Punkte noch nicht erhalten - wo das Geld herkommen soll, steht in den Sternen. Es gibt Verhandlungen mit Banken, der Stadt und auch mit dem Hauptsponsor Klingel. Aber auch die ziehen sich hin. Und dass am Saisonende 14 von 17 Spielerverträgen auslaufen,macht die Situation auch nicht angenehmer. Ins Bild passt da, dass Trainer Bob Augustyn, der auch zum Saniererkreis gehört, ebenfalls darniederliegt. Er hat eine schwere Knieverletzung - der Arzt hat ihn erstmal
krankgeschrieben. Das Training leitet Torhütercoach Roger Essig. Einziger Vorteil: In den Stunden der Krise will man sich in Pforzheim wieder auf die eigene Jugend konzentrieren. Eine andere Chance hat man auch nicht mehr.